Tjutschews Frühling in Bayern Tjutschews Gedichte sind in Russland jedem seit dem ersten Schuljahr bekannt. Aber nur wenige wissen, dass Tjutschew seine schönen Naturskizzen nicht bei Moskau, sondern bei München verfasst hat (сочинять), wo er von 1822 bis 1844 zuerst als Diplomat und später als Privatier ( lies: приватье - рантье) lebte. Fjodor Iwanowitsch Tjutschew wurde am 23. November 1803 in Owstug bei Brjansk geboren. Er entstammte väterlicherseits einem alten Adelsgeschlecht, durch die Mutter war er mit Tolstoi und Rimski-Korsakow verwandt. Die Tjutschews, die den Winter gewöhnlich in ihrem eigenen Haus in Moskau verbrachten, lieβen ihre Kinder von den besten Lehrern ihrer Zeit zu Hause unterrichten. Mit 16 Jahren bestand Fjodor Tjutschew die Aufnahmeprüfung in die philologische Abteilung der Moskauer Universität. Er konnte sich ihr dreijähriges Programm innerhalb von zwei Jahren aneignen und die Universität am Tag seines 18. Geburtstages abschlieβen. Mithilfe seines Onkels bekam er die Stelle eines Mitarbeiters der russischen Gesandtschaft (дипломатическая миссия, консульство) am Bayerischen Hof. 22 Jahre verbrachte Tjutschew in München. Hier traf er seine beiden Ehefrauen, hier wurden fünf seine Kinder geboren. Hier lernte er die herausragendsten Persönlichkeiten seiner Zeit kennen, darunter Friedrich Schelling und Heinrich Heine. Hier wurde er als Dichter geformt und wuchs zum Philosophen heran, um zwei Jahrhunderte später als ein Genie des russischen Geistes zu gelten.